Digitalisierung

In der Digitalisierung müssen Kompetenzen und Fähigkeiten der Mitarbeiter mit dem richtigen Wissen und Mindsets auf die entsprechenden Rollen und Aufgaben angepaßt oder aufgebaut werden.

Steuerberater auf dem Weg zur Digitalisierung und digitalen Transformation

Albert Thienel
Experte
Auch die Steuerberatungsbranche befindet sich in einer dynamischen Entwicklung durch digitale Lösungen für Steuerberatungskanzleien, digitale Anforderungen der Kunden, digitale Startup Wettbewerber und zukünftigen, regulatorischen Herausforderungen durch die Digitalisierung der Steuerverwaltung. So geben beispielsweise seit 2016 in Großbritannien Arbeitsnehmer keine Steuererklärungen mehr ab, da alle Daten automatisch in eine elektronische Steuerakte gesammelt und verarbeitet werden.

Digitale Enabler sind dabei z.B. digitale Lösungen zur Prozessoptimierung (z.B. digitale Qualitätsbuchführung), digitale Arbeitsplatz und Kollaborationslösungen, Cloud-Sourcing Lösungen, digitale Plattformen, Tax Data Analytics (z.B. Massendatenanalysen zur Entdeckung von Compliance-Risiken) und APPs zur Information und Kommunikation mit Mandanten.

Schnell haben sich Steuer-Startups auf diese Themen gestürzt und bieten Lösungen an, wie z.B.:
- Taxdoo ermöglicht Onlinehändlern internationale Umsatzsteuer-Verpflichtungen zu automatisieren, z.B. zu Paketpreisen nach Positionsmengen und Zusatzleistungen
- Wundertax betreibt mehrere Plattformen, die Nutzern (z.B. Studenten, Polizisten) bei der Steuererklärung helfen zum kleinen Pauschalpreis.
- Felix1.de hat sich zum Ziel gesetzt die einfachste Steuerberatung Deutschlands für Privatkunden und Unternehmen zu sein. Felix1.de ist das Corporate-Startup der ETL-Gruppe, die sich als Marktführer in Sachen Steuerberatung versteht.

Aber auch die DATEV entwickelt digitale Lösungen mit agilen Entwicklungsteams und bietet eine digitale Entwicklung zur „DATEV Digitale Kanzlei“ in vier Schritten an:

1. Digitale Kanzleibuchführung mit z.B. digitaler Qualitätsbuchführung und digitalem Postfach für Lieferantenrechnungen
2. Digitale Kanzleiorganisation mit z.B. Einführung von Cloud-Sourcing und Datev DMS
3. Digitale Schnittstelle Kanzlei/Mandant mit z.B. digitaler Zusammenarbeit bei FIBU, Lohn und Steuererklärung
4. Digitale Geschäftsmodelle mit z.B. Einführung digitaler Workflows bei Mandanten und Beratungsangeboten im Rahmen der Digitalisierung

Die meisten Steuerberater warten anscheinend noch ab und hoffen noch viele Jahre mit den guten, alten Kundenbeziehungen und klassischen Tätigkeiten ihre Geschäfte zu machen. Wenn Kanzleien in das Thema Digitalisierung eingestiegen sind, dann haben sie erste Digitalisierungslösungen gestartet, wie z.B. die Erfassung von Belegen mit einer APP. Im Vordergrund steht die Nutzung digitaler Enabler zur Effizienzsteigerung der Prozesse und Entlastung des Personals von automatisierbaren Aufgaben. Eine weitere Steuerberatergruppe folgen einem hybriden Geschäftsmodell, indem sie sowohl klassische Belegmandanten als auch digitale Kunden beraten können. Eine kleine Gruppe ist bereits in das Thema digitale Transformation eingestiegen: Ausgehend vom Mandantennutzen neue Geschäfts- und Ertragsmodelle mit digitalen Enablern zu entwickeln. Die verschiedenen Gruppen von Steuerberatern haben recht unterschiedliche Interessen, Geschäftsmodelle und Einstellungen zur Digitalisierung und digitalen Transformation.

Laut einer Studie von Wolters Kluwer berichteten Kanzleien mit einer Umsatzsteigerung von mehr als 10% davon, dies mit dem Vordringen in neue Dienstleistungsfelder durch Nutzung Cloud-basierter Lösungen erreicht zu haben. Klassische Kanzleien erreichten hingegen 0-3%. Entsprechend wird das Umsatzwachstum in den neuen Dienstleistungsfeldern zwischen 30-40% prognostiziert.

Durch die Automatisierung klassischer Tätigkeiten von Prozesse (so berichteten einzelne Steuerberater von der Reduzierung ihrer Buchhaltungstätigkeiten von 60 auf 20%) wird Zeit frei für neue, wertschöpfende Services, während die klassischen Tätigkeiten deutlich unter Margendruck geraten werden. Die Studie verweist auch auf Veränderungen des Geschäfts-/Ertragsmodelles: 14% der befragten Steuerberater berechnen den Preis bereits auf der Basis des Wertes, während 61% dies gemäß Zeitaufwand und 30% sind die Beratungsleistungen im Pauschalhonorar enthalten.

Aus einer Befragung von 700 europäischen Steuerberatern von Wolter Kluwer im Jahr 2018 geht hervor das zusätzliche Beratungsleistungen Angeboten werden sollen z.B. zu den Themen Finanzplanung und Vermögensmanagement, virtueller Finanzmanager, Nachlassberatung und -verwaltung, Risikomanagement, forensische Buchführung, Restrukturierung und IT-Audits.

Einige Insider verweisen bereits heute auf den deutlichen Qualifizierungsbedarf der meisten Steuerberater und den Ergänzungsbedarf von Steuerberatungskanzleien durch entsprechend qualifizierte Steuerberater, damit sie diese neuen Dienstleistungen qualifiziert erbringen können.

Inzwischen bieten erste steuerberatungsorientierte Beratungshäuser Steuerberatungskanzleien an, sie bei der Einführung von digitaler Workflows bei Mandanten zu unterstützen oder mit ihnen Design Sprints durchzuführen, um neue Beratungsleistungen zu entwickeln.

Erforderlich ist natürlich zu Beginn der digitalen Transformation die Definition einer Kanzleistrategie: Welchen Mandantennutzen wollen wir mit bestehenden und zukünftigen Mandanten in Zukunft schaffen (Kundennutzenposition)? Welche neuen Anforderungen werden Mandanten an uns zukünftig stellen? Mit welchen Geschäfts- / Ertragsmodellen wollen wir in Zukunft erfolgreich sein? Welche Effizienzsteigerungen in den internen Prozessen möchten/müssen wir erreichen? Auf welche regulatorischen Entwicklungen sollten wir uns einstellen? Welche digitalen Enabler sind dafür nötig?

In einem Workshop mit mehr als 70 Steuerberatern konnte ich diese Fragen stellen. Die Minderheit der Anwesenden konnten mit eigenen digitalen Kanzleilösungen und neuen Geschäftsideen glänzen. Darunter waren auch zwei Top 100 "DATEV Digitale Kanzleien". Die Mehrheit konnte allerdings durchaus den Gedankengängen folgen und erste, digitale Geschäftsmodelle entwickeln. Es wurde aber auch eine Notwendigkeit deutlich sich mit der schriftlichen Erarbeitung des heutigen und zukünftigen Geschäftsmodells auseinander zu setzen sowie intensiver mit dem Angebot an digitalen Lösungen.

Ähnliche Themen und Entwicklungen sind bei den Wirtschaftsprüfern (Wirtschaftsberatung 4.0, digitale Wirtschaftsprüfung) und Rechtsanwälten (digital Law) zu beobachten.

Erfahren Sie mehr zu diesen Themen in meinem viertägigen
Intensivworkshop "Digital Transformation Manager"
oder in meinem zweitägigen Workshop "Digitale Geschäftsmodelle entwickeln".

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