by Albert Thienel
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Daher ist es nicht verwunderlich, dass der "Digital Leader Award 2018" an Arvato Systems in der Kategorie "ganzheitliche Digitalisierungsprojekte" ging. Die "Arvato Smart Logistics Platform" bildet intelligente Logistikprozesse auf der Microsoft Cloud-Plattform Azure ab. Über die Smart Logistics Platform von Arvato Systems können zahlreiche Logistik-Anwendungen aus einem App Store auf Smartwatches, Smartphones und Tablets übertragen und genutzt werden. Kunden können die Prozesse auswählen, die sie benötigen und die für diese Prozesse relevanten Informationen über die Plattform bündeln und auf einem Wearable darstellen – beispielsweise in den Bereichen Wareneingang, Produktionsversorgung, Kommissionierung, Transport Management oder bei Filialprozessen. Schnittstellen zu ERP- und Order-Management-Systemen sind im Leistungsumfang enthalten und sorgen für Einführungszeiten von wenigen Wochen anstatt mehrerer Jahre.
In den meisten Logistikunternehmen werden aber noch digitale Einzellösungen für Teiloptimierungen erprobt oder in den nächsten Jahren angestrebt (insbesondere fahrerlose Staplersysteme, Smart Container, Datenbrillen, Lagerroboter), wie eine Studie des Bitkom Research (Digitalisierung der Logistik, 508 befragte Unternehmen) verdeutlicht.
Als Herausforderungen werden von den Logistikern allerdings die entstehenden Logistikplattformen angesehen, z.B. Tendering Plattformen zur Senkung von Frachtkosten (z.B. weltweite Carrier und Shipper Plattformen zur Buchungs- und Abwicklungsoptimierung), die natürlich ihren Obolus verlangen, die Marge somit schmälern und sich zwischen Logistikern und Kunden schieben.
Verlader und kleine LKW-Transporteure können sich beispielsweise gegen eine monatliche Gebühr auf die Timocom-Plattform (Frachtenbörse mit Smart Apps; "Das erste Smart Logistic System Europas") aufschalten zur Frachtabwicklung, von der Transportanfrage, Ausschreibung, Routen- und Kostenkalkulation, Auftragsvergabe, Tracking bis zur Abrechnung. Inzwischen nutzen mehr als 43.000 Unternehmen die Plattform Timocom. Damit hat ein mittelständischen Spediteur gezeigt, dass man auch als "kleiner" Mittelständler ein digitales Geschäftsmodell entwickeln und mit täglich 750.000 vermittelten LKW-Fahrten zum europäischen Marktführer aufsteigen kann. Alleine 2018 haben fast 61.000 Spediteure sich über PC-Schnittstellen an die Frachtbörse angeschlossen und das bisherige Auftragsmanagement über Fax und Telefon abgelöst. Besonders interessant ist natürlich das weitere Mehrwertdienstleistungen Schritt für Schritt über die Plattform kundenspezifisch entwickelt werden können und das Geschäft über die Plattform hohe Skalierungschancen hat.
Um ohne zwischengeschaltete Plattformen anderer Anbieter den Kontakt zu Kunden zu halten und weiter auszubauen musste z.B. Schenker zwingend Ende 2018 in mehreren Ländern Connect-4.0-Plattformen live schalten. Inzwischen werden mehr als 550.000 Transaktionen im Monat darüber abgewickelt.
In den USA hat Amazon bereits eine Frachtvermittlungsbörse freight.amazon.com gestartet, die den Transport kompletter LKW-Ladungen zu Preisen von 20-30% unter Marktstandard anbieten. Seine eigenes Frachtnetzwerk öffnet Amazon nun Dritten, insbesondere um paarige Verkehre zu ermöglichen und sicherlich noch attraktiver für Spediteure und unabhängige Fahrer zu werden. So baut Amazon den Anbieterkreis und die Kapazitäten seines eigenen Frachtnetzwerkes weiter aus, natürlich auch um in Spitzenzeiten, wie z.B. Weihnachten, den eigenen Zugriff auf Marktkapazitäten weiter zu erhöhen.
Am fernen Horizont erscheint der 3-D Druck als Game Changer: Produkte sollen zunehmend vor Ort gedruckt und nicht mehr über weite Strecken transportiert werden! Immerhin 9% der in der Bitkom Studie befragten Unternehmen gaben an 3-D Druck im Einsatz zu haben und weitere 5% haben dies geplant. Aber auch die geplante Errichtung von global vernetzten Smart Factories, die nach Bedarf und Kostengesichtspunkten direkt vor Ort produzieren im Geschäftsmodell "Manufacturing as a Service" (z.B. Trumpf), werden zu Veränderungen im Supply Chain Management führen.
Inzwischen sind aber auch Labs und Acceleratoren keine Seltenheit mehr. Logistikkonzerne, wie z.B. Imperial Logistics International, gründen ein Supply Chain Lab in der Gründerszene in Berlin. Hamburger, mittelständische Logistikunternehmen gründen mit der Hamburger Sparkasse ein "Next Logistics Accelerator" als Brutkasten für den Logistikcluster Hamburg. Die digitale Transformation in der Logistikbranche nimmt Fahrt auf! Allerdings mehr in den größeren Unternehmen als bei den Mittelständlern.
Die kürzlich publik gewordene Zusammenarbeit von Volkswagen und Amazon Web Service zur Schaffung einer Industrial Cloud und eines globalen, digitalisierten Supply Chain Managements wird wohl den letzten der 1500 Zulieferer/Partner und die ganze Supply Chain Management Branche endgültig wachgerüttelt haben. Volkswagen stellt sich unter anderem vor, den Materialfluss effizienter zu steuern, Lieferengpässe und Prozessstörungen frühzeitig zu erkennen und zu korrigieren sowie Maschinen und Anlagen in jeder Fabrik optimaler zu fahren. Da werden sich die zukünftigen Logistikpartner und ggf. deren Subunternehmen digital ausrichten müssen, wenn sie im Geschäft bleiben möchten.
Es bleibt aber noch viel zu tun im Hinblick auf:
Die Transformation der IT in den Logistikunternehmen
Die individuelle und unternehmensweite Qualifizierung der Mitarbeiter
Die Rekrutierung von passenden IT-Fachkräften
Die Managemententwicklung: In meinem Vortrag" Digitales Transformations-management" vor ca. 300 Logistikmanagern, auf dem 14. Logistikforum Mönchengladbach in 2018, hoben nur eine Handvoll Manager die Hand zu meinen Fragen:
1. Existiert ein digitales Geschäftsmodell in ihrem Unternehmen?
2. Beobachtet ihr Unternehmen die digitalen Initiativen des Wettbewerbers?
3. Werden die Führungskräfte auf Themen der digitalen Transformation vorbereitet?